Buchtipp der Woche:
MACHLOIKES
Jetzt auch als Taschenbuch bei dtv!
Vom Mief der Nachkriegszeit ist in diesem Roman nichts zu spüren. Wenn Michel
Bergmann von den 50er Jahren erzählt, wird das Frankfurter Bahnhofsviertel zum
aufregenden Schauplatz anrührender, urkomischer und tieftrauriger Geschichten.
Hier leben und arbeiten die Teilacher, die jüdischen Kleinhändler, die es irgendwie geschafft haben, dem Krieg und Hitlers Vernichtungsmaschinerie zu entkommen. Ihre Kinder sollen es, natürlich, besser haben, sie sind »Pfeile in die Zukunft«. Jeden Sommer werden sie im zionistischen Jugendlager im Schwarzwald auf das Leben in Israel vorbereitet, doch für die Teenager aus der Großstadt ist die amerikanische Jazzmusik aus ihren Kofferradios viel interessanter als das Krafttraining im Freien.
Ihre Eltern haben sich in Frankfurt eingerichtet und versuchen dort ein normales Leben zu führen. Allerdings geraten sie immer wieder in Machloikes – Ärger, Zoff, Zwist. Der junge Alfred beobachtet das alles mit Neugier und hat selbst genug Probleme. Denn womit soll er das Geld für das ersehnte Rennrad verdienen, und wie kann er endlich der schönen Juliette näherkommen, die von ihrer überängstlichen Mutter streng bewacht wird? Bei der heimlichen Probe eines Theaterstücks in der jüdischen Gemeinde kommt es zu einem Eklat, der großen Dramen in nichts nachsteht.
Allgegenwärtig liegt hinter allem aber die dunkle Vergangenheit. Der Teppichhändler Robert Fränkel, der vor dem Krieg ein Star der Berliner Kabarettbühnen war, wird Woche für Woche vom CIA verhört. Warum konnte ausgerechnet er das KZ verlassen und bekam sogar einen deutschen Ausweis? Gehörte er womöglich zu den verachteten Kollaborateuren? Fränkels Geschichte verschlägt nicht nur dem abgebrühten US-Offizier die Sprache: Als Witzeerzähler wurde der jüdische Entertainer engagiert, um Hitler für die Konversation mit Mussolini ein paar überzeugende Pointen beizubringen.
Das alles ist so unglaublich, dass man es Michel Bergmann, diesem leidenschaftlichen Erzähler, nur zu gerne abnimmt. Voll Anteilnahme und mit unermüdlichem Witz lässt er seine Figuren lebendig werden und zeichnet ein mitreißendes Panorama des jüdischen Frankfurt. Anschaulicher und bewegender lässt sich von diesem Kapitel der Nachkriegsgeschichte nicht erzählen.
Sabine Doering, Professorin für Literaturwissenschaft, Universität Oldenburg
Der gute Witz zur rechten Zeit
Mariele Millowitsch im Focus
Interviews
ardmediathek.de
Buch „Machloikes“
24.11.2012 — HOMBERG
(gsi). Mit seinem Romandebüt „Die Teilacher“ begann Michel Bergmann 2009 seine Trilogie um eine Handvoll Juden, die nach dem Krieg — warum auch immer — versuchen, in Frankfurt Fuß zu fassen. Teilacher, so Bergmann, sind „das kleinste Atom der Kaufmannswelt“ — Handelsvertreter, die mit ihrer Wäsche von Tür zu Tür gingen und am aufkommenden deutschen Wirtschaftswunder teilhaben wollten. Eine Welt, die der 1945 in einem Schweizer Internierungslager für jüdische Flüchtlinge geborene Autor nur zu gut kennt — es ist seine Welt, in der er aufgewachsen ist. Seit gut einem Jahr liegt der zweite Teil der Trilogie vor: „Machloikes“ hat Michel Bergmann sie genannt und Machloikes — also Zwist, Probleme und Ärger haben die Protagonisten in Bergmanns 50er Jahre-Frankfurt nicht wenige.
Im Rahmen einer Lesung in der Stadthalle, die die Homberger Buchhandlung gemeinsam mit der Stadt Homberg und Leseland Hessen organisiert hatte, erzählte Michel Bergmann am Donnerstagabend auf unterhaltsame, fast schelmische Art von diesen „Machloikes“. „Zores hat man mit der ganzen Welt — Machloikes nur mit ganz wenigen!“, erklärte er die feinen sprachlichen Unterschiede. Eingebettet war die Veranstaltung in einen kulinarischen Teil, der sich inhaltlich übrigens der 60er Jahre annahm und den zahlreichen Gästen die Pause verschönte.
Zwei gegenläufige Erzählstränge verfolgt der Autor in „Machloikes“: Da ist zum einen die Pubertät des jungen Alfred Kleefeld, der in diesem Buch den ersten Job, den ersten Frust und die erste Liebe erlebt, zum anderen ist es die irrwitzige Geschichte des Robert Fränkel, der als Überlebender eines Konzentrationslagers ins Visier des CIA gerät, weil sein Name in so unglaublich vielen Nazi-Dokumenten auftaucht. Ob der Jude nicht vielleicht doch ein Kollaborateur war?
Bergmann beginnt seine Lesung mit einer stimmungsvollen Beschreibung von Robert Fränkels neuem Teppichladen. Die Eröffnungsfeier besuchen illustre und weniger illustre Gäste, irgendwie alles, was eine Gesellschaft so zu bieten hat, darunter auch Damen, die gerne einen Freier mit nach Hause nehmen würden, und die Angestellten des Ladens, allesamt eigentümliche Männer: Honigbaum zum Beispiel, ein „Mann mit Auschwitzerfahrung“, Josef Mengeles „Listenjude“, der auch nach dem Krieg nicht anders kann, als eine Liste nach der anderen anzufertigen. Honigbaums absurde Lebensgeschichte, so abgrundtief traurig sie auch ist, wirkt in dem Mikrokosmos, den Bergmann in das alte Frankfurt zaubert, doch ganz normal.
Mit ihnen allen malt Bergmann ein Sittengemälde dieser Zeit, dieser Stadt und dieser Gesellschaft, dabei schlüpft der Autor, von Haus aus Drehbuchautor und Regisseur, wie von selbst in die Rollen seiner Protagonisten, er spricht Russisch und Jiddisch, berlinert und frankfurtert, spricht perfektes Englisch, Französisch und Quatsch-Italienisch und entführt seine Zuhörer in eine untergegangene Welt.
Nach und nach erfahren die Zuhörer, was es wohl mit Fränkels Kollaboration auf sich hat: Fränkel, der vor dem Dritten Reich Conférencier in Berlin war, fällt auf einer Weihnachtsfeier im KZ dadurch auf, dass er so locker und eloquent Witze erzählt — die einzige Fähigkeit, die dem Führer gänzlich abgeht. Umso bedauerlicher, dass gerade Mussolini über sie verfügt, und so soll der Jude Fränkel, ausgestattet mit neuen arischen Papieren, dem steifen Adolf Hitler Humor beibringen. Schon allein das Gespräch, das „als geheime Kommandosache“ im Vorfeld stattfindet, ist witzig und schmerzhaft zugleich, offenbart es doch in wenigen Sätzen den kompletten Irrsinn der Nazidiktatur. „Dem Führer fehlt das Leichte, das Jüdische“, heißt es da, und kaum zwei Zeilen weiter muss Fränkel sich vor den Amerikanern dafür verteidigen, dass er mit diesem Job einzig sein Leben retten wollte. Bis in die berüchtigte Wolfsschanze hat Fränkel gebracht, just an dem Tag, als im Juli 1944 das Attentat auf Adolf Hitler verübt wurde. In einer gewagten Aktion ergreift er die Flucht…
Auch der junge Freddy — Alfred Kleefeld — erlebt so Einiges: Er verdient sich ein neues Fahrrad, das der rachsüchtige Blum ihm zerstört, er erlebt die Solidarität der Teilacher und er verliebt sich in Juliette Lubinsky, die auf unglaubliche Weise vor dem KZ gerettet wurde.
Geschickt verwebt Michel Bergmann die beiden Biografien — dass ihm alle Charaktere seines Romans irgendwie ans Herz gewachsen sind, merkt man sofort, und dem Charme, der Traurigkeit hinter der Fröhlichkeit und den vielen Machloikes kann sich der Zuhörer kaum entziehen.
Dienstags wurde Fränkel von der CIA verhört
Homberg (dar). Am Donnerstagabend war die Stadthalle gut gefüllt – zahlreichen kamen Interessierte der Einladung der Homberger Buchhandlung nach, um den erfolgreichen Autor Michel Bergmann aus seinem neuesten Roman »Machloikes« lesen zu hören. Der Autor Michel Bergmann versteht es nicht nur faszinierend und fesselnd zu schreiben, sondern er zeigte in der Homberger Stadthalle, dass er auch mehrere Rollen nebeneinander darstellend fesselnd zu lesen und zu erzählen weiß. Das Publikum, das in der Pause auch kulinarisch verwöhnt wurde, genoss einen rundum gelungenen Abend.
»Machloikes« ist der zweite Teil einer geplanten Trilogie. 2010 erschien bereits Bergmanns Werk »Die Teilacher«. Die Teilacher sind eine Gruppe jüdischer Handelsvertreter, die in der frühen Nachkriegszeit in Frankfurt am Main, versuchen ihre Existenz aufzubauen. Und Bergmann weiß, wovon er schreibt, stammt er doch aus einer jüdischen Handelsfamilie. In der anschließenden Fragerunde verriet er, dass viel Autobiographisches in seinen Geschichten dabei sei. Äußerst unterhaltsam und lebhaft las der Erfolgsautor aus »Machloikes«, was im Jiddischen so viel wie Durcheinander oder auch Ärger heißt, vor. Mit viel Witz und Charme nahm er sein begeistertes Publikum mit in die Welt der Frankfurter Teilacher.
Sein Roman erzählt, wie es mit den jüdischen Handelsvertretern rund um den fünfzehnjährigen Alfred Kleefeld und seinen Onkel David Bermann weitergeht. Die Überlebenden des Holocaust wollten eigentlich nur eine kurze Weile in Deutschland bleiben, um dann nach Israel oder in die USA zu gehen. Doch schließlich sind sie wider Erwarten sesshaft geworden.
»Machloikes« hat zwei Haupthandlungsstränge: Der junge Alfred wird allmählich erwachsen. Dabei träumt er von einer glücklichen Zukunft und von seinen Leidenschaften – einem Rennrad und der schönen Juliette. »Und zwar in dieser Reihenfolge«, erzählt Michel Bergmann schmunzelnd. Einer der anderen Protagonisten, Robert Fränkel, hat sich vom Teilacher-Dasein verabschiedet und erfolgreich einen Teppichladen eröffnet. Seine drei Angestellten sind ziemlich skurrile Charaktere. Auch Alfred beginnt bei dem Teppichverkäufer zu arbeiten, um sich seinen Wunsch nach einem Rennrad erfüllen zu können. Eines finden Robert Fränkels Freunde und Bekannte merkwürdig: Jeden Dienstag verschwindet er: Fränkel wird nämlich von den Amerikanern verdächtigt mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet zu haben. Denn sein Name taucht häufig in den beschlagnahmten SS-Akten auf. Deswegen wird er jede Woche erneut von der CIA verhört. Dass er Hitler das Witzeerzählen beibringen sollte, wird ihm von der CIA nicht geglaubt. Und so beginnen für Fränkel die Machloikes.
»Machloikes« besticht durch einen feinfühligen und tiefsinnigen Humor, der trotz der ernsten Thematik nicht zu kurz kommt. Bergmanns Charaktere und ihre Geschichten sind oftmals komisch und dennoch bewegend. Der Autor schafft es, die komplizierte Nachkriegszeit mit ihren vielfältigen Facetten, wie dem wirtschaftlichen Aufschwung, den Nachwehen des Nationalsozialismus’ und auch der Identitätsfrage, mit einer lebendigen Leichtigkeit zu beschreiben, wobei es ihm nie an Ernsthaftigkeit fehlt. Seine Protagonisten erzählen immer wieder Geschichten aus ihrer Vergangenheit, die er geschickt als Rückblenden in seinen Roman einbaut.
03.05. — 06.05.2012
“Tarbut”, Jüdische Kulturtage Schloß Elmau:
Zahlreiche Podiumsdiskussionen u.a.mit Henryk M. Broder, Oliver Polak, Dan Diner, Micha Brumlik, Maxim Biller, Robert Schindel, Michel Bergmann, Doron Rabinovici, Michael Wuliger, Dieter Graumann, Daniel Cohn-Bendit. Gastgeber Rachel Salamander und Michael Brenner.
19. April 2012
Michel Bergmann & die Welt der Teilacher
Jüdische Woche auf glasperlenspiel13
“Machloikes” — was im Jiddischen soviel wie Durcheinander oder Zwiespalt bedeutet und Titel Michel Bergmanns neuestem Roman ist — gab es am gestrigen Abend in der Buchhandlung Dausien nicht. Dafür aber humorvolle wie nachdenkliche Literatur. Bereits 2010 erschien sein erster Roman der geplanten Trilogie: “Die Teilacher”. Dieser erste Teil spielt im Frankfurt am Main der Nachkriegszeit und handelt von einer Gruppe Teilacher (jüdische Handelsvertreter), die mit ihren Wäschepakete hausieren gehen. Der Autor kennt das beschriebene Milieu sehr genau, da er selbst aus einer jüdischen Handelsfamilie stammt (Vater und Onkel — Gebr. Bergmann).
Michel Bergmann |
Der im Allgemeinen so hoch gelobte jüdische Humor kommt einem Protagonisten im Buch jedoch teuer zu stehen. Robert Fränkel, Ex-Teilacher, da er sich gerade selbständig gemacht hat, gerät ins Visier der US-Armee. Sein Name erscheint überdurchschnittlich oft in den beschlagnahmten SS-Akten. Nun soll erklären warum. Die Geschichte, dass er als geborener Entertainer Hitler das Witzeerzählen beibringen soll, will ihm niemand glauben. Und so webt Michel Bergmann weiter an seiner Frankfurter Geschichte, die immer bunter und vielfältiger wird. Das Lachen kommt dabei nicht so kurz, obwohl es einem hin und wieder im Halse stecken bleibt.
Bei der anschließenden Fragerunde wollte eine Dame wissen, ob es denn die einzelnen Figuren auch wirklich gab. “Sicher nicht 1:1 aber unter den Teilachern, die für meinen Vater und Onkel gearbeitet haben, gab es schon besondere Archetypen, die natürlich eine gute Vorlage für mich waren.” entgegnete Bergmann und hielt noch eine Anekdote bereit. Nach der Veröffentlichung des ersten Bandes meldete sich ein über 90-jähriger Herr aus Wien bei ihm, der ihm einzelne Figuren mit dem richtigen Namen nennen konnte. Es stellte sich heraus, dass er auch bei den Gebr. Bergmann gearbeitet hatte und daher alle Beteiligten, ob nun grob oder feiner skizziert, kannte.
Neben der Trilogie sind weiter Projekte geplant. So interessiert sich der belgische Regisseur Sam Garbarski für eine Filmproduktion des ersten Bandes “Die Teilacher”, da auch er das Milieu der Teilacher sehr gut durch seinen Vater kennt. Wenn man einmal Michel Bergmann selbst lesen gehört hat, möchte man eigentlich auch gleich das Hörbuch inkl. seiner Stimme kaufen. Leider ist dies noch nicht möglich aber der Autor entgegnete auf meine Nachfrage, dass beim Erscheinen des dritten Bandes dies vielleicht möglich sei. Und zuletzt verriet er noch ein kleines Geheimnis: Sein dritter Band erscheint im März 2013 mit dem Titel “Herr Klee und Herr Feld” und wird mit aller Voraussicht das Buch bei Frankfurt liest ein Buch 2013.
Literatur im 21. Stock
Jüdische Allgemeine vom 08.03.2012
Michel Bergmann
liest zugunsten der WIZO im Frankfurter Interconti
Gegen 19 Uhr wird es in Frankfurt langsam dunkel, und vom 21. Stock des Hotel Interconti hat man nicht nur einen prächtigen Blick auf das Farbenspiel, das sich unten bietet, sondern auch auf die Skyline der Mainmetropole.
Genau der richtige Rahmen für eine fantastische Lesung im Salon »Silhouette«. Dort hat am Montagabend der Autor Michel Bergmann aus seinem neuen Roman Machloikes gelesen.
Alle Plätze waren besetzt. Und Hoteldirektor Thomas Hilberath, der bereits zum dritten Mal zu einer Lesung zugunsten der WIZO eingeladen hatte, war begeistert und versprach in seiner Begrüßung, die WIZO auch weiterhin mit solchen Projekten zu unterstützen.
Rund 120 Gäste ließen sich zu Beginn des Abends von der herausragenden Pianistin Marina Lebenson »verzaubern«.
Journalistin Bärbel Schäfer führte charmant und unterhaltsam durch den Abend. Sie stellte den Autor vor und entlockte ihm sogleich ein »Geheimnis« – sein erstes Buch Die Teilacher wird 2013 verfilmt werden.
Auch die Lesung selbst gerät fast zu einem Film. Immer wieder schlüpft Michel Bergmann in verschiedene Rollen: Mal liest er mit amerikanischem Akzent, mal berlinert er, und dann verfällt er ins Jiddische, um kurz darauf im Frankfurter Dialekt loszuschmettern. Mittendrin singt Bergmann sogar. Das Publikum ist fasziniert und begeistert.
Und obwohl das Thema des Buches eigentlich nicht lustig ist – handelt es sich doch immerhin um traumatisierte Juden im Nachkriegs-Frankfurt, die sich bemühen, eine neue Existenz aufzubauen –, strotzt es dennoch von Humor und Lebenslust.
Immer wieder brechen die Zuhörer in lautes Lachen aus, und neugierig geworden, wie die Geschichte wohl ausgeht, drängen sie sich nach der Lesung dicht um den Verkaufsstand, um ein Exemplar des Romans zu erwerben. Auch Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist beeindruckt und lässt sich das Buch von Michel Bergmann signieren. Er schmunzelt: »Ich habe es zwar schon zu Hause und auch gelesen, aber wer weiß, was ein ›signierter Bergmann‹ mal wert ist.«
NZ-Buchkritik: Michel Bergmann “Machloikes”
Überleben mit Chuzpe — 01.03.
Im Jahr 2010 erschien Michel Bergmanns Debütroman “Die Teilacher”, der das Leben jüdischer Handelsvertreter in den frühen Nachkriegsjahren in Frankfurt am Main beschreibt. Nun liegt der Folgeroman “Machloikes” vor, der uns in die Jahre 1953/54 versetzt und von neuem jüdischen Leben zwischen Ruinen und Trümmergrundstücken erzählt, von Wirtschaftswunder und Überlebenskünstlern.
Aus der Sicht des 15-jährigen Alfred Kleefeld erfährt man, wie es mit den Teilachern rund um seinen Onkel David Bergmann weitergeht. Die jüdischen Überlebenden des Nazi-Terrors wollen eigentlich nur kurzzeitig im Land der Täter bleiben, um genügend Geld zu verdienen, ehe sie ins gelobte Land nach Israel oder in die USA auswandern.
Doch dann bleiben sie hier hängen. Einer der Teilacher, Robert Fränkel, eröffnet einen eigenen Teppichladen, in dem Alfred jobbt, um sich den Traum vom Rennrad zu erfüllen. Auf zwei Ebenen wird hier parallel erzählt: die Geschichte von Alfred und die von Robert.
Erste Liebe in den 50ern
Alfreds Erlebnisse sind die eines heranwachsenden Jungen im Nachkriegsdeutschland, der voller Hoffnung in die Zukunft schaut, die erste Liebe und die Aufbruchsstimmung der 50er Jahre erlebt, mit den aktuellen Kinofilmen und Schlagern der Zeit, mit heimlichen Menthol-Zigaretten und coolen Konzerten in verrauchten Jazzkellern. Dabei ist er hin- und hergerissen zwischen seiner häuslichen Idylle, der gutbürgerlichen Welt etablierter Juden mit ihren Traditionen und der neuen spannenden Zeit der „Ami-Kultur“, die in der amerikanischen Besatzungszone erblüht und Frankfurt in den frühen Fünfzigern zur deutschen Jazzmetropole macht.
Robert Fränkel hingegen wird von seiner düsteren Vergangenheit eingeholt. Da sein Name häufig in SS-Akten auftaucht, muss er in regelmäßigen Sitzungen einem CIA-Offizier Rede und Antwort stehen – er wird verdächtigt, mit den Nazis kollaboriert zu haben.
Seine Geschichte ist skurril: Der KZ-Häftling Fränkel, vor dem Krieg bekannt als Berliner Stimmungskanone, soll Hitler im Witzeerzählen unterrichten, damit dieser Mussolini Paroli bieten kann! Dazu verpasst ihm die SS eine neue Identität, er wird zu Heinz Frentzel. Und damit sind die „Machloikes“ (aus dem Jiddischen: Ärger, Zwiespalt, Zwist) vorprogrammiert…
Der Journalist und Drehbuchautor Michel Bergmann wurde 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Schweizer Internierungslager geboren. Die Erfahrungen seines Lebens und auch ein Stück Familiengeschichte hat er in seinen beiden Romanen verarbeitet. Seine Mutter stammt aus Zirndorf und ist mit dem Schriftsteller Jakob Wassermann verwandt, während sein Vater und sein Onkel David tatsächlich zusammen ein Wäschegeschäft führten und als „Teilacher“ unterwegs waren.
Witz und Wahrheit
Authentisch und mit viel Wärme erzählt der Autor von jüdischen Schicksalen, wobei er Fakten und Fiktion fantasievoll mischt. Tragische Dinge verpackt er mal humorvoll, mal sarkastisch. Die Szenen wirken filmisch bildhaft, getragen von starken Dialogen und gewürzt mit jiddischen Ausdrücken. Wahrheiten umschreibt der Autor in Form von Witzen und Anekdoten.
Das alles ist berührend, mitunter melancholisch und wehmütig, aber auch mit viel Witz, Chuzpe, hintergründigem Humor und Doppelsinn garniert, so dass man immer noch mehr erfahren möchte über das Leben der liebenswerten Teilacher.
Michel Bergmann: Machloikes. Roman. Arche Verlag, 330 Seiten, 19,90 Euro.
Literaturzeit Radio Bremen 17.12.2011
Machloikes
Der neue Roman von Michel Bergmann
Michel Bergmann: Machloikes; Arche Literatur Verlag; 336 Seiten; 19,90 €
Michel Bergmanns wunderbar verschmitzten Ton kennt man aus seinem 2010 erschienenen ersten Roman “Die Teilacher”. Darin erzählt der Hamburger Autor vom Leben der zurückgekehrten jüdischen Händler und Geschäftsleute im Frankfurt der frühen Nachkriegsjahre – wahrlich ein pralles Stück jüdisch-deutschen Lebens, voller skurriler und auch trauriger Anekdoten.
In seinem neuen Roman setzt er die Geschichte in den fünfziger Jahren fort. In den höchsten Tönen hat die “Welt” dieses Buch gelobt. Es lebe “von seiner authentischen Kenntnis” und sei “mit jenem herzerfrischenden Humor ausgestattet, den wir am jüdischen Witz so sehr lieben. Endlich zeigt einer, wie unverkrampft man auch in Deutschland richtig über Jüdisches schreiben kann. Besser kann man die Geschichte nicht erzählen.” Elke Schlinsog hat sich mit dem Autor über seinen Roman unterhalten.
Moderation und Redaktion: Elke Schlinsog
Bücher für den Weihnachtsmann
Ausgesucht und empfohlen von Autoren der Literarischen Welt am 10.12.2011
Endlich gibt es ihn, den lang erhofften Roman. Er hat den richtigen Ton, lebt von seiner authentischen Kenntnis und ist mit jenem herzerfrischendem Humor ausgestattet, den wir am jüdischen Witz so sehr lieben. Im ersten Band “Die Teilacher” macht sich eine Gruppe jüdischer Überlebender auf, ins Leben zurückzufinden. Und das ausgerechnet in Deutschland unmittelbar nach dem Krieg. “Machloikes” (jiddisch Zwist und Ärger) schreibt ihren für die hier hängengebliebenen Juden typischen Werdegang zu Anfang der 50er-Jahre fort. Endlich zeigt einer, wie unverkrampft man auch in Deutschland richtig über Jüdisches schreiben kann. Besser kann man die Geschichte nicht erzählen. Ein reines Lesevergnügen.
Rachel Salamander
Hajo Steinert, Deutschlandfunk, empiehlt:
Michel Bergmann: Machloikes. Roman. Arche Verlag. 336 S., 19,90 Euro
Die Helden in diesem filmisch-virtuos erzählten Schelmenroman sind Überlebende des Holocaust. 1945 zurück gekommen nach Frankfurt am Main, verdienen sie ihr Geld als Hausierer und Teppichhändler. Doch trotz aller Geistesgegenwart holt sie — allesamt sympathische Schlitzohren — ihre Vergangenheit Tag für Tag ein. Einer von ihnen soll wegen seiner Kunst Witze zu erzählen, sogar vom “Führer” persönlich geladen worden sein …
Weitere Stimmen zum Buch
Jetzt bin ich gerade fertig geworden und geradezu verzaubert. So ein tolles Buch. Es tut mir leid, dass ich mit noch niemanden darüber reden kann, weil es ja noch keiner gelesen hat. Ich bin so begeistert und kann kaum erwarten den nächsten Teil zu lesen, am liebsten sofort
(Simone)
Bin sehr begeistert von deinen Lesungen und dem sehr guten Interview.
Wenn das Buch nur halb so gut ist wie der Stick dann ist es der
Knüller. Sogar Dean Martin ( RIP ) könnte sich noch an ” Mike and the
Bergmanns” inspirieren. Freu mich es zu lesen.
Wünsche dir eine ganz schöne Zeit mit viel Anerkennung, Erfolg und viel Genuss.
(Pol)
Ich habe den Abend sehr genossen und noch im Bett begonnen, Dein Buch zu lesen. Es versteht sich von selbst, dass ich meine sonstigen Pflichten nur noch sehr oberflächlich wahrnehmen konnte, weil ich im Buch weiterlesen musste. Gestern habe ich es ausgelesen und war sehr beglückt. Es ist Dir wieder gelungen, sehr plastisch Teile meiner eigenen Kindheit zum Leben zu erwecken. Viele der handelnden Personen haben sich mir natürlich sofort erschlossen, bei einigen bin ich noch am Rätseln. Jedenfalls gratuliere ich Dir ganz herzlich zu diesem Buch und wünsche ihm den verdienten Erfolg!
(Maria)
(…) das buch ist gelesen. bekommt Alfred denn sein Fahrrad zurück????
mir hats sehr viel spass gemacht jeden abend vor dem schlafen,in meinem kuscheligen bettchen deinen roman in die hand zu nehmen und ein paar super minuten (mindestens 30) zu verbringen.
ich freu mich wirklich auf die fortsetzung.….oder wie man das auch nennen soll.
meine hochachtung,super geschrieben.
(Maryl)
(…) read your beautiful book and my only regret is that it was too short ! I wished to indulge a bit longer in these lovely childhood memories, faux as they are. (…) Can’t wait to discuss in detail. Hope for a runaway bestseller, Mimi, knock them dead at the book fair, much, much love,
(Emily)
(…) Wir haben dein neues Buch gelesen — mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Vieles war mir vertraut, manches ein Déjà-vu, anderes neu, wieder anderes vermutlich der schriftstellerischen Phantasie entsprungen, immer aber lesenswert. Als das Buch bedauerlicherweise endete, war es tröstlich zu wissen, dass diese Geschichte so nicht enden kann, sondern geradezu auf eine Fortsetzung angelegt ist, ja, nach ihr schreit. Wir freuen uns schon heute darauf. Wir wünschen den “Machloikes” viel Erfolg und eine große Leserschaft.
(Sallek)
Das dritte Buch, dem sich Eva Behrens-Hommel widmete, berichtet über Frankfurter Juden in den 50er Jahren. «Der hat mich Nerven gekostet, weil mir seine Protagonisten ans Herz gewachsen sind», sagte sie über Michel Bergmann, den Autor von «Machloikes».
Meine Meinung:
“Die wilden Jahre waren vorbei und langsam begannen die Wunden zu vernarben. Es gab die Bundesrepublik Deutschland, einen volkstümlichen Bundespräsidenten und einen scharfkantigen Kanzler. Und es gab die Teilacher, die jüdischen Handelsvertreter, die von Tür zu Tür zogen, um den Deutschen Wäschepakete zu verkaufen.”
So beginnt der Nachfolgeroman von “Die Teilacher” und spielt im Frankfurt Anfang der 50-er Jahre. Langsam kommt das Land wieder in Schwung, es wird aufgebaut, der Fernseher nimmt Einzug und auch die Teilacher werden seßhaft. Robert Fränkel eröffnet z.B. ein Teppichgeschäft.
Der hier 15-jährige Alfred träumt von einem Fahrrad und verliebt sich zum ersten Mal.
Robert Fränkel wird von der CIA vorgeladen zum Verhör. Allzu oft kommt sein Name in den SS-Akten vor. In diesen wöchentlichen Verhören erklärt Fränkel die Umstände, wie und warum er zum Privatlehrer Hitlers gekürt wurde. Fränkel, der gut Witze erzählen konnte, sollte Hitler Witze beibringen.
Michel Bergmann erzählt unverkrampft und trotz des ernsten Themas mit einer Portion Humor.
Als kleines Beispiel zitiere ich mal diese Passage:
Verhör Robert Fränkel — Kramski:
Ich komme aus einer Künstlerfamilie. Mein Vater Paul Fränkel war Musiker, ist bereits 37 gestorben, das war sein Glück. meine Mutter Amalie, geb. Sternberg, war Astrologin, so eine Art Wahrsagerin. Hat ihr leider nicht geholfen.
Warum?
Nun — sie ist deportiert worden — zuerst nach Theresienstadt, später dann weiter nach Ausschwitz. Dort ist sie umgekommen. Auch meine Schwester Thea.
Und Sie?
Ich bin nicht umgekommen, wie Sie sehen, meinte Fränkel bissig. (S. 57)
Die selbstquälerische Frage der Überlebenden “Warum habe ich überlebt? Warum nicht die anderen?” greift der Autor auf, sowie die Frage der Individualschuld und die Suche nach einer neuen Identität, der Frage, wie weiterleben in Deutschland.
Dieser Zwiespalt ist mir besonders bei der Passage aufgefallen, wo es heißt: “Die Juden lebten zwar unter den Deutschen, mit den Deutschen lebten sie nicht.” (S. 316)
Nicht unerwähnt bleibt die Frage der “Wiedergutmachung” und der erste spektakuläre Nazi-Prozess in Frankfurt.
Mit “Machloikes” hat Michel Bergmann einen weiteren lesenswerten Roman geschrieben.
(Ein Leser)
Tolles Buch. Da merkt man auch den „alten Fuchs“, wenn ich mal so sagen darf, was die Dramaturgie angeht. Der Spannungsbogen mit der Witzschüler Hitler peitscht die Story voran. Auch die Liebesgeschichte funktioniert super, und man freut sich auf die Fortsetzung, einen Art kleingenerationelle jüdisch-hessische „Heimat“.
(Martin)
Thank you for your wonderful book which I could not put down and which I gave to my sister, (She loved your first book too). I thoroughly enjoyed it. You are a true talent. I felt touched by the profound friendship between Alfred and Leo, our alter egos.
(Leon)